23 Jun Gefährliche Vitamin-D-Überdosierung
Im Frühsommer sind Vitamin-D-Supplemente immer noch im Gebrauch. Das ist nicht nur unnötig, sondern auch gefährlich. Auch durch Fehler bei der Herstellung in Nahrungsergänzungsmitteln aus den USA kam es zu folgenschwerer Überdosierung.
Vitamin D spielt eine wichtige Rolle in der Immunabwehr. SARS-CoV-2-Infizierte mit schweren Verläufen wiesen häufig einen Vitamin-D3-Mangel auf. Das ist häufig altersbedingt, auch eine unzureichende Zufuhr durch Fettfisch oder Ei ist in Krankenhäuser und Pflegeeirichtungen zu beklagen. Also doch künstlich zuführen? Was für Bettlägrige erwogen werden kann ist für Berufstätige und Jüngere in den Sommermonaten nicht zu empfehlen. Denn, Vitamin D ist fettlöslich. Ein Überschuss wird deshalb nicht einfach ausgespült, sondern kann sich anreichern und gefährliche Nebenwirkungen bis hin zu Organversagen haben. Eine Vergiftung durch Vitamin-Ergänzungsmittel wird zwar als selten angesehen, kann jedoch häufiger auftreten als gedacht. Fehler bei der Herstellung und Kennzeichnung von Nahrungsergänzungsmitteln, die in den USA hergestellt wurden, führten zu schweren gesundheitlichen Störungen bei Konsumenten. Ein bisher gesunder Mann kam dem Beschwerdebild extreme Müdigkeit, starker Durst, Polyurie und Gedächtnisstörungen ins Beth Israel Medical Center in New York. Ein anderer berichtete von Muskelschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Bei der Untersuchung fiel bei beiden ein deutlich erhöhter Calciumspiegel auf. Es stellte sich heraus, dass der erste eine 18-fache, der andere eine 9-fach über den Empfehlungen liegend Menge an Vitamin D eingenommen hatte. Aufgefallen war den beiden dies nicht, da die im Internet bestellten Artikel laut Etikett eine akzeptable Dosierung von 1000 I.E. aufwiesen. Tatsächlich war aber, wie weitere Nachforschungen ergaben, die Dosis durch einen Herstellungsfehler um das Tausendfache erhöht.
Toxisch wird eine so hohe Dosierung, wenn sie regelmäßig d.h. über einen Monat aufgenommen wird.
Die Überdosierung löst gerade das aus, wogegen die Vitamin-D-Supplemente eingenommen werden: Müdigkeit, Osteoporose uvm
Die Zeichen der Überdosierung beginnen mit unspezifischen Symptomen, gefolgt von schweren Komplikationen.
- Müdigkeit
- Magen-Darm-Symptome
- neurologischen Beschwerden wie Kopfschmerzen,
- Herzrhythmusstörungen
- Bluthochdruck
- Nierenversagen
Die Amerikaner vertrauen ihren Lebensmitteln nicht mehr.
Mehr als die Hälfte der Amerikaner nimmt Nahrungsergänzungsmittel zu sich. In Deutschland ist es jeder Dritte. Gerade zur Stärkung des Immunsystems und in der Abwehr des SARS-CoV-2 Virus werden Vitamin-D-Präparate stark beworben. Verhängnisvoll ist dabei, wie die Studie am New York University Medical Center zeigt, dass 60 bis 70% der Amerikaner diese Verwendung ihren Ärzten gar nicht mitteilen. Oftmals wird die hohe Vitamin-D-Einnahme auch gar nicht als solche wahrgenommen, z.B. wenn das Vitamin als Teil diverser functional foods aufgenommen wird, so mittels Diätzucker aus Kanada. Die kritische Obergrenze bei einer Langzeiteinnahme von Vitamin D liegt bei 10.000 IE pro Tag. Wird zugleich auch noch regelmäßig hoch dosiertes Magnesium eingenommen (de Bedarf liegt bei nur 300 mg/Tag d.h. 0,3 Gramm pro Tag) erhöht sich in der Kombination mit Vitamin-D das Risiko für eine Niereninsuffizienz ungemein.
Hochdosierte Präparate nur für Risikogruppen
Vitamin-D ist ein Multitalent, das ist verlockend. Es erfüllt vielfache Funktionen für das Immunsystem, die Herz-Kreislauf-Funktion und die Knochenbildung. Es kann aber auch aus Vorstufen in der Haut des Menschen selbst gebildet werden. Empfehlenswert wird eine Vitamin-D-Supplementierung daher nur erachtet, wenn wenig Kontakt mit der Sonne möglich ist z.B. bei Arbeitszeit mit Spätschicht in geschlossenen Räumen. In den Monaten Oktober bis März wird häufig, zumindest laut Blutwerte, ein Vitamin -D-Mangel festgestellt. In Deutschland werden neuerdings gerne hochdosierte Vitamin-D-Präparate verschrieben. Zugelassen sind Präparate mit 20000 I.E. jedoch nur bei Vitaminmangelzuständen und nur zur einmaligen Anfangsbehandlung. Eine längerfristige Einnahme ist nur dann erlaubt, wenn dies kontrolliert und primär notwendig ist z.B. bei Dauermedikation mit anderen Medikamenten, die den Vitamin-D-Abbau beschleunigen (z.B. Blutdrucksenker wie Nifedipin, Epilepsiemittel Carbamazepin oder dem Antiöstrogen Tamoxifen) oder bei geringer Eigensynthese.
Vitamin-D-Kontrolle keine IGEL-Leistung
Das Risiko für eine Überdosierung steigt, wie die US-Studie zeigt, wenn Nahrungsergänzungsmittel eigenständig gekauft und eingenommen werden. Empfohlen wird jedoch die Kontrolle von Calciumspiegel und Vitamin-D bei Einnahme via Nahrungsergänzungsmittel oder mittels Depotspritzen im Rhythmus von 6 bis 8 Wochen. Häufig wird die Vitamin-D-Kontrolle als IGEL-Leistung angeboten. Die Krankenkassen erstatten jedoch die Vitamin-D-Kontrolle, wenn eine ärztliche Notwendigkeit dazu vorliegt z.B. bei Senioren über dem 65sten Lebensjahr, bei Schwangeren, Stillenden oder wenn ein dunkler Hauttyp vorliegt.
Problematisch ist, wenn z.B. aus Zeitnot die Kontrolle beim Arzt nur zu Beginn, quasi als Anlass für eine Substitution stattfindet. Bei Überdosierung mit Vitamin-D steigt der Calciumspiegel im Blut, es kommt zur Hyperkalzämie. Dies birgt hohe Risiken für eine Gefäß- und Organverkalkung. Für die Überwachung reicht es jedoch nicht aus das aktives Vitamin D3 (1,25-Dihydroxyvitamin D) und Calcium im Serum zu bestimmen. Der Serumspiegel der Vorstufe, das 25-Hydroxyvitamin D [25 (OH) D] muss untersucht werden; er ist direkt proportional zur Vitamin-D-Versorgung. Mehr als über 30 ng/ml sollte er aber nicht ansteigen. Tritt dennoch eine Überdosierung auf, dauerte es lt. Studienbericht ungefähr ein ganzes Jahr, bis sich bei entsprechender Therapie die 25 (OH) D-Spiegel wieder normalisieren. Erst wenn die 25 (OH) D-Spiegel unter 400 ng / ml sinken, so zeigen die Befunde der Vitamin-D-Intoxikations-Studie, blieben betroffene Patienten ohne weitere Langzeitfolgen wie Kalzifizierung von Gefäße und Gewebeteilen, Nierensteine, Arrhythmien des Herzens. Ein USP Programm in den USA kontrolliert nun die Hersteller von Nahrungsergänzungsmittel stärker und vergibt ein Siegel. Doch noch ist die Teilnahme freiwillig und die Kontrolle wie auch bei uns in Deutschland nur stichprobenartig.
Fazit:
Gerade in der Corona-Pandemie wird versucht, die Abwehrkräfte mit Nahrungsergänzungsmitteln wie Vitamin D3 zu stärken. Eine eingehende Beratung von Klienten durch die Ernährungsberatung oder in der Arztpraxis sowie die qualifizierte Kontrolle der Einnahme von verschiedenen Mittel oder vitaminisierten Lebensmitteln ist, wie die Falldarstellung zeigte, jedoch sehr wichtig, um Schädigungen vorzubeugen. Herstellerfehler können das Risiko für eine Überdosierung und gefährlichen Komplikationen erhöhen. Alarmierend sind zudem auch Gesetzeslücken bei der Zulassung von Nahrungsergänzungsmittel. Erst im September d..J. berichtete der SWR in Report aus Mainz über das dubiose Geschäft mit der Hoffnung bei Supplementen. Zur Vermeidung von Risiken müssen daher alle Beteiligten besser zusammenarbeiten. Risikolos und viel günstiger als Nahrungsergänzungsmittel ist eine Versorgung mit Vitamin-D-reichen Lebensmitteln z.B. Steinpilze, Forelle, Sardinen. Eier enthalten zwar auch aktives Vitamin-D, doch ist deren Gehalt recht gering. Plätzchen sind daher leider keine geeignete Vitamin-D-Quelle.
Literatur und Quellen:
Vitamin D Intoxication with Severe Hypercalcemia due to Manufacturing and Labeling Errors of Two Dietary Supplements Made in the United States. Takako Araki, Michael F. Holick, Bianca D. Alfonso, Esti Charlap, Carla M. Romero, Dahlia Rizk, Lisa G. Newman. The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism, Volume 96, Issue 12, 1 December 2011, Pages 3603–3608, https://doi.org/10.1210/jc.2011-1443
Hypervitaminose Vitamin D: siehe auch Nachschlagewerk online DocCheck. https://flexikon.doccheck.com/de/Hypervitaminose_D?utm_source=www.doccheck.flexikon&utm_medium=web&utm_campaign=DC%2BSearch
Vitamin-D-Bestimmung und Kostenübernahme durch die Krankenkasse: https://www.barmer.de/gesundheitscampus/foren/vitamin-d-blutuntersuchung-121898 download 28.10.19,12.22.
Dekristol® 20.000 IE – off label und gefährlich? Uwe Gröber, DAZ 2011, Nr. 39, S. 88, 29.09.2011 https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2011/daz-39-2011/dekristol-r-20-000-ie-off-label-und-gefaehrlich
Nahrungsergänzungsmittel – Das dubiose Geschäft mit der Hoffnung. Claudia Buttert und Philipp Reichert, SWR. Stand: 15.10.2019, 11.45 Uhr. https://www.swr.de/betrifft/nahrungsergaenzungsmittel-das-dubiose-geschaeft-mit-der-hoffnung/-/id=98466/did=24876672/nid=98466/s360q7/index.html